Frieden! Frieden?

Wir müssen über Frieden sprechen. Jetzt. Laut. Nicht hinter verschlossenen Türen oder vorgehaltener Hand. Wir haben zu lange das Feld des öffentlichen Diskurses den Kriegstreibern (und Kriegstreiberinnen) überlassen. Aus Angst, ins Kreuzfeuer zu geraten, ausgegrenzt zu werden, die gesellschaftliche Reputation zu verlieren, Freunde gehen zu sehen …

Wir haben nicht wahrhaben wollen, dass sie schon wieder dasselbe Spiel mit uns spielen wir vor fünf Jahren, nur mit einem anderen Thema. Haben sie uns damals Angst eingejagt,

wir könnten an einem Virus sterben, so ist es jetzt der Krieg, der uns in die Angst treiben soll, damit wir bereit seien, unsere Freiheit für vermeintliche Sicherheit herzugeben. Sie packen uns immer wieder an unserer tiefsten Wunde, der Angst vor dem Tod. Sie wissen, wie leicht wir da zu packen sind. Ja, auch bei der Angst vor Ausgrenzung geht es um Todesangst, eine ganz archaische, die aus einer Zeit stammt, als Ausgestoßenwerden tatsächlich zum physischen Tod führen konnte.

Zwischenbemerkung: Ich spreche von „Sie“. Ich weiß nicht wirklich, wer das ist. Ich bin mir sicher, dass die, die uns regieren sollen oder wollen, Handlanger sind, Getriebene, die genauso Angst vor dem Tod haben. Für mein Anliegen ist es nicht von Wichtigkeit, wer „Sie“ sind. Ich gebrauche „Sie“ bloß als Chiffre, als Platzhalter. Es geht nicht um „Sie“.

Sondern um uns. Oder, um bescheidener anzufangen, um mich. Was kann ich tun, damit das aufhört? Gewalt in jeglicher Form führt zu nichts Gutem, das weiß ich. Jemanden zu beschuldigen, ist zwecklos, wenn ich Frieden will, denn das wäre ja wieder Kampf, gegen wen oder was auch immer. Und es hilft auch nicht weiter, jemand anderen an seine Verantwortung zu erinnern, wenn ich darüber meine außer Acht lasse. Außerdem kann Verantwortungsbewusstsein nie von außen kommen.  Wie also könnte Frieden entstehen?

Es ist, so erscheint es mir, ein dreistufiger Prozess. Die erste Stufe braucht bewusste Anstrengung – oder auch gerade nicht, Du wirst sehen warum. Ist sie gemeistert, können im besten Fall die anderen sich daraus ergeben. Die erste Stufe ist der Friede in mir, mit mir selbst, die zweite der Friede mit den Menschen, Tieren, Pflanzen in meiner unmittelbaren Umgebung, mit denen ich in persönlicher Berührung bin. Und die dritte, ja, das ist der Weltfrieden, den wir uns wünschen. Also an die Arbeit!

Frieden mit mir selbst, das ist doch ganz einfach, findest Du?

Ich fühle da das größte Hindernis. Kann ich mich selbst wirklich so annehmen, wie ich bin? Zuvörderst meinen Körper: seine Verletzlichkeit, seine Krankheiten. Und ist nicht die Haut zu faltig, die Kräfte zu schwach, der Mund zu klein oder zu groß, das Haar zu dünn, der Bauch – o weh! Bin ich nicht in Umfrieden mit so vielem? Und auf der Ebene der Persönlichkeit: Warum diese ständige Sucht nach Selbstoptimierung? Ich sage nicht, dass es nicht angemessen wäre, an meinen Schwächen zu arbeiten. Aber so wie ich ein Kind nur „erfolgreich erziehen“ kann, wenn ich es liebe und es annehme, wie es ist, so ist es auch mit meinem Ich. Wenn ich Krieg gegen mich selbst führe, wie kann ich da Frieden schaffen? Und meine Vergangenheit, kann ich dazu JA sagen? Mit dem, was ich verbockt habe im Laufe meines Lebens, mit den Verletzungen, die ich andern zugefügt habe, mit der Schuld – wenn es so etwas gibt, es hängt von der Perspektive ab – und der meiner Vorfahren? Es ist ein weites Feld.

Du verstehst jetzt, warum ich oben gesagt habe „bewusste Anstrengung – oder auch nicht“. Friedlich zu sein mit mir selbst, den Kampf gegen mich loszulassen, ist das Schwerste. Das hat uns nie jemand gelehrt. Im Gegenteil: Seit Menschengedenken lernen wir, dass wir nie gut genug sind und darum auch nichts Gutes verdienen. Dies uralte, lebensfeindliche Konzept aufzulösen, sich auflösen zu lassen, ist das Schwerste und das Schönste, das Lohnendste, was ich tun kann. Es ist deshalb so schwer, weil das Bewusstsein unserer selbst als Kinder Gottes und somit a priori Geliebte verloren gegangen ist, das jetzt langsam wieder einsickern, einströmen darf.

Damit hängt auch die Angst vor dem Tod zusammen, die uns so angreifbar, so erpressbar macht, solange sie unbewusst bleibt. Wenn ich sie erkenne, auch wenn sie in Verkleidung daherkommt, bin ich nicht mehr so konditionierbar, so manipulierbar. Aha, da bist du wieder, du Todesangst, ich erkenne dich, wenn du als Angst vor Kündigung, vor Verarmung, vor Demütigung oder was auch immer mir begegnest. Ja, du bist Angst, aber du hast nicht das letzte Wort. Selbst wenn ich tatsächlich diese Inkarnation beenden muss, um meine Würde zu wahren, so lebe ich doch weiter, als die Seele, die ich bin, die schon lebte, ehe sie diesen Körper sich gestaltete, und das auch tut, wenn sie ihn wieder ablegt.

Das sind große Worte. Und ob sie halten, was sie versprechen, wenn es darauf ankommt, wird sich zeigen. Sie aber schon nur zu denken, ermöglicht mir einen anderen Blick auf das, was geschieht. Wenn ich nicht sterben kann und geliebt werde nur dafür, dass ich bin, und das für alle anderen auch gilt, wenn ich das wirklich als wahr fühlen kann, ist es vielleicht nicht mehr so schwer, Frieden zu finden.

In meinem Hinterkopf sind noch viele Wenns und Abers, und in Deinem sicher auch. Aber vielleicht magst Du das Gesagte einmal in Dir sich bewegen lassen und schauen, was es mit Dir macht? Und dann können wir weitersehen. Dann kannst Du mir widersprechen, wenn Du tiefere Einsichten gewinnst. Ich segne Dich.