Singen fürs Immunsystem

Musik wirkt über das limbische System, den Hypothalamus und den Hirnstamm direkt auf das vegetative Nervensystem, vor allem wenn wir selbst musizieren, und im besonderen beim Singen. Singend können wir den Sympathikus anheizen (was nach einem langen Arbeitstag zu Beginn der abendlichen Chorprobe gewünscht sein kann), und ebenso gut können wir durch geeignete Auswahl von Mantren, Chants oder Liedern den Parasympathikus anregen, damit unser Körper in den Entspannungs- und Regenerationsmodus wechseln kann.

Das ganze Leben ist ja Musik, aus vielerlei Schwingungsfrequenzen und Rhythmen. Die Nerven schwingen in Millisekunden-Bereich, die Atmung und der Puls im Sekundenbereich, der Schlaf-Wach-Rhythmus mit den Tageszeiten usw. Alle diese Rhythmen können durch Singen harmonisiert werden.

Wesentlicher Motor der Stimme ist der Atem. Beim Singen beruhigt und vertieft sich die Atmung. Sie schenkt allen Organen und auch der Wirbelsäule eine rhythmische Massage. Gründliches Ausatmen, wie es beim Singen geschieht, hilft zu entschlacken, zu entgiften und zu entsäuern, da viele Schlackenstoffe abgeatmet werden können, außerdem die Schwingungen das Bindegewebe in Bewegung setzen, wo diese Stoffe abgelagert sind.

Singen erhöht die Herzratenvariabilität, ein Faktor für Herz-Kreislauf-Gesundheit. Singen senkt den Stresspegel. Singen bringt die Verdauung ins Gleichgewicht. Es erhöht die Ausschüttung des „Kuschelhormons“ Oxytocin und der Endorphine. Es steigert die Lust und vermindert Angst und Schmerzempfinden. Singen hebt den Melatoninspiegel an und verbessert den Schlaf, die Fähigkeit, zur Ruhe zu kommen.

Das alles fördert das Immunsystem. Aber Singen wirkt auch ganz direkt auf es ein, indem es die Bildung von Immunglobulin A steigert und von DHEA. Das Nebennierenhormon DHEA ist ein Gegenspieler des Kortisols und nimmt Einfluss auf die Bildung von T-Lymphozyten. Außerdem wirkt es antidepressiv, wodurch auch wieder Schwung ins Immunsystem kommt.

Ernst Barlach, Singender Mann

Singen fördert den Gemeinschaftssinn, und zwar selbst dann, wenn wir meistens für uns allein singen. Denn Singen ist immer ein Sich-Äußern und fördert die Kommunikationsfähigkeit.

Singen bringt uns in Kontakt mit unseren verdrängten Gefühlen und alten Blockaden. Wenn das geschieht, können schon einmal Tränen fließen, aber welche Erleichterung! Deine Stimme klingt anfangs vielleicht nur ganz leise oder unsicher oder brüchig. Das macht nichts. Je mehr Du Dich mit ihr und Dir verbindest, desto authentischer, desto kraftvoller kann sie klingen.

Singen erlaubt uns, unsere Gefühle auszudrücken, was in unserer Gesellschaft sonst oft nicht gern gesehen und gehört wird, was aber für unsere Seelenhygiene unabdingbar ist.

Wenn uns jetzt in Corona-Zeiten das Singen in Gemeinschaft verdächtig gemacht wird, da beim Singen vermehrt Tröpfchen fliegen können, dann mag das ja stimmen. Aber es wird die gesundende Wirkung ausgeblendet und eine lebensfeindliche Haltung gefördert, ebenso wie mit dem Abstands- und Maskengebot, das wir auch nicht für lange Zeit aufrechterhalten können, ohne Schaden anzurichten. Wir brauchen nun einmal Kontakt, Berührung, Umarmung. Dazu fällt mir Erich Kästner ein: „Wird’s besser? Wird’s schlimmer? fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.“

Also singe!