Großblütige Königskerze

Großblütige Königskerze (Verbascum grandiflorum oder thapsiforme), eine wahrhaft königliche Sonnenpflanze! Sie gehört zur Familie der Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae). Sie hat viele Namen: Brennkraut, Wetterkerze, Donnerkerze, Himmelsbrand, Wollblume, Fackelkraut, Neunmannkraft, Frauenkerze … All diese Namen weisen darauf hin, welche Bedeutung unsere Vorfahren der Pflanze beimaßen.
Beginnen wir mit Fackel- oder Brennkraut. Man hat die langen, abgeblühten Stiele in Pech, Harz, Wachs oder Öl getaucht und dann angezündet – als Fackel, die sehr lange brannte. Sie wurde auch herba lucernaria, Lampenkraut genannt. aus den getrockneten Blättern hat man Lampendochte gedreht. Die wolligen Haare brennen wie Zunder. Wetter- oder Donnerkerze: Die Königskerze, nahe ans Haus gepflanzt, sollte vor Blitzschlag und Unwetter schützen. Himmelsbrand: Die Königskerze ist eine uralte Zauberpflanze, war der Freya heilig und geriet später unter die Schirmherrschaft der Jungfrau Maria, die mit ihr um Mittsommer übers Land zog und Licht und Freude verbreitete. Ein weiterer Name war Unholdenpflanze: Sie sollte Schadzauber und böse Geister abwehren.

Alle Pflanzen möchten mit Respekt behandelt werden. Aber ganz besonders sensibel reagiert die Königskerze auf Achtlosigkeit. Sie darf auch nicht als ganze Pflanze gepflückt werden, nur die einzelnen Blüten. Einzige Ausnahme: Im Frauendreißiger, also dem Zeitraum zwischen Mittsommer und Mariä Himmelfahrt, darf sie gebrochen werden, ein einziges Exemplar, als Mitte und Krönung des Kräuterbuschens, der dann die Kräuterweihe erfährt. Auch das – das Binden eines solchen Kräuterbündels und seine Weihe – ist eine uralte magische Praxis, worauf auch die Tatsache hinweist, dass es genau neun, fünfzehn, 77 oder 99 Kräuter sein müssen, die gebunden werden, je nach Gegend. Und auch nicht irgendwelche, sondern ganz bestimmte – zum Beispiel Königskerze, Johanniskraut, Tausendgüldenkraut, Schafgarbe, Kamille, Wermut, Pfefferminze und Arnika.

Um Königskerzen herum tanz(t)en im Mondschein auch die Elfen. Ob das stimmt, ist schwer zu sagen. Sie lassen sich kaum einmal beobachten.

Die Königskerze ist zweijährig. Im ersten Jahr bildet sie eine grundständige Blattrosette aus und im zweiten Jahr blüht sie. Die Blattrosette überwintert. Die ganze Pflanze wird 120 bis 300 cm groß. Alle oberirdischen Pflanzenteile sind dicht wollig-filzig behaart. Die Blätter stehen wechselständig am Stiel, mit herablaufenden Blatträndern, ober- und unterseits gelblich bis graugrün behaart, mit gesägten bis gezähnten Blatträndern. Die Blüten erscheinen von Juni bis September in einem langen, walzenförmigen Blütenstand, von unten nach oben aufblühend. Die Blüten sind fünfzählig, 35 bis 50 mm im Durchmesser, zwittrig. Sie haben fünf Staubfäden, von denen drei kürzer und mit einem Bart versehen sind (verbascum kommt von lat. barba = Bart), zwei länger und nackt. Die Samen sind reif von September bis Oktober und werden vom Wind und von Tieren verbreitet. Jede Kapsel enthält 300 Samen. Eine Pflanze kann gut 200 Blüten entwickeln, also 60.000 Samen. Nicht schlecht! Sie sind Lichtkeimer.

Die beeindruckende Gestalt der Großblütigen Königskerze ist nicht mehr so häufig zu sehen, dafür aber kaum zu übersehen. Die Pflanze mag eher trockene, sonnige, offene Standorte: Unkrautfluren, Schuttplätze, Wegränder auf nährstoffreichen, kalkhaltigen Böden, die nicht übermäßig viel Stickstoff enthalten sollten.

Die Pflanze ist sehr gut ausgerüstet, um mit viel Sonne und Trockenheit umgehen zu können:
Die herauflaufenden  Blattränder sorgen dafür, dass jeder Tropfen Regenwasser der Wurzel zugeführt wird.
Die Behaarung ist ein sehr wirkungsvoller Schutz gegen hohe Strahlungsintensität und Verdunstung. (Und sie schützt auch vor Schneckenfraß.)
Die goldgelben Blüten enthalten viel Flavonoide, das pflanzliche Sonnenschutzmittel, und reflektieren einen großen Anteil des UV-Lichtes.

Die Pollen sind übrigens nur bis ca. 10 Uhr Ortszeit verfügbar. Die frühe Biene kann also abräumen.

Heilkundlich verwendet werden selten die Wurzeln und Blätter, meistens die Blüten. Inhaltsstoffe sind Saponin, Sapogenin, Invertzucker, Rohrzucker, Schleimstoffe, ätherisches Öl, Steroide, Hesperidin, Kalium. Die Pflanze ist eine Einschleuserpflanze für Kalium, d.h. sie hilft dem Organismus, Kalium aufzunehmen.

Die Königskerze ist vor allem ein Heilmittel für die Atemwege einschließlich der Lunge. Sie wirkt reizlindern, hustenlindern, auswurffördernd, beruhigend und krampflösend. 

Die Volksmedizin verwendete auch Wurzelabkochungen gegen schweren Husten der Lungenkranken. Die Homöopathie bietet Verbascum (bis D4) gegen Stimmverlust durch Erkältung. Hildegard von Bingen schrieb: „Wer ein schwaches oder trauriges Herz hat, der koche Königskerze mit Fleisch oder Fisch ohne andere Kräuter. Und er esse das oft, denn es stärkt sein Herz und macht ihn fröhlich.“ Ich vermute, dass sie in dem Fall die Blätter meint. Auch die TCM verwendet die Königskerze als Mittel zur Erleichterung des Abhustens, außerdem gegen Hämorrhoiden, Ohrenschmerzen und Tinnitus.

Gegen Ohrenschmerzen gibt es auch ein einheimisches Rezept: Fülle ein Schraubglas mit den Blüten ganz dicht und voll. Dann stelle das verschlossene Glas in die Sonne. Es bildet sich am Boden eine Flüssigkeit, die seihe ab und verwende sie tropfenweise.

Gegen Husten hilft der Tee aus dem getrockneten oder frischen Blüten. Lass ihn 10 Minuten ziehen und süße ihn dann mit etwas Honig.

Auch eine Tinktur lässt sich aus der Königskerze herstellen. Wenn Du eine im Garten hast, stelle Dir ein Schraubglass voll Kornbrand oder Obstler dazu und fülle jeden Morgen die frisch sich lösenden Blüten hinein. Wenn es voll ist, stell das Glas noch vier Wochen an einen warmen Ort und seihe danach ab.

Aus den Blättern lässt sich eine Heilsalbe kochen.

Bei allen Rezepten mit Königskerze ist zu bedenken, dass das Abseihen immer sehr sorgfältig geschehen muss, am besten durch einen Papierfilter (Tee- oder Kaffeefilter). Die feinen Härchen sollten abgefiltert werden, da sie Reizungen verursachen können.

Die Königskerze eignet sich auch zum Rauchen und Räuchern. Der Kinnick kinnick der nordamerikanischen Ureinwohner, den sie in der heiligen Pfeife rauchen, enthält neben Tabak auch weitere Kräuter, darunter Königskerze oder/und andere Pflanzen.

Dass die Königskerze eine Sonnenpflanze ist, ist offensichtlich. Und für alle, die einen Sinn für die alte Signaturenlehre haben, ist ebenso offensichtlich, dass sie auch eine Jupiterpflanze ist: groß, auffällig, raumgreifend, wie Jupiter selbst. Und Freude und Zuversicht ausstrahlend. Ich habe eine im Garten, an der ich mich jeden Morgen freue – sie ist einfach herrlich!