Was brauchst Du?

Heute ist der 11. Februar 2021, Schwarzmond. Heute beginnt – wie bei jedem Neumond – etwas Neues.

Gestern traf sich mal wieder der „Hohe Rat“, die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten und –präsidentinnen. Und wie kaum anders zu erwarten war – ich muss dabei an den berühmten lateinischen Hexameter denken, den mir mein Vater in meinen Werkzeugkasten gelegt hat: „Parturiunt montes et nascitur ridiculus mus“, zu deutsch „Es gebären die Berge, und geboren wird eine lächerliche Maus“ –, geht der Lockdown weiter, mindestens bis 14. März, mit winzigen Zugeständnissen.

So lange ertragen wir das jetzt schon, die einen einsichtig und sogar übereifrig, manche angstgetrieben, die anderen zähneknirschend. Und was macht das alles mit uns? Ich will hier nicht diskutieren, ob die Maßnahmen notwendig und verhältnismäßig sind. Täte ich das, könnte ich es ja nur falsch machen und zöge in jedem Fall einen Shitstorm auf mich. Ich möchte aber auf einen Effekt aufmerksam machen, von dem ich mich langsam frage, ob er beabsichtigt ist oder zu den sog. UAW (unerwünschten Arzneimittel-Wirkungen) gehört.

Die Maßnahmen bringen uns – und zwar alle, nicht nur die Kinder, wenn auch die ganz besonders – um das, was uns uns lebendig fühlen lässt: Berührungen, Zärtlichkeiten, spontane Begegnungen, Inspirationen (in analogen Kultureinrichtungen), Streitgespräche, unmittelbares Voneinander-Lernen usw. Dabei geht die Zeitqualität gerade in die umgekehrte Richtung, dass wir nämlich unsere wahren Bedürfnisse befreien und wieder leben sollen. Das führt zwingend zum Konflikt, innerlich oder/und im Außen.

Wir haben das so lange nicht getan. Jahrhunderte lang haben wir unsere wahren Bedürfnisse unterdrückt oder unterdrücken müssen, so lange, dass wir sie jetzt gar nicht mehr wahrnehmen – oder wir ahnen sie und fürchten uns vor ihnen. Oder wir wissen sogar um sie, und unser Verstand sagt uns, dass das nicht geht, dass man das nicht macht, dass das gefährlich ist, dass das Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Wir halten die Unterdrückung aufrecht. Das zeigt sich dann manchmal in der Form, dass jemand am anderen bekämpft, was er sich selbst nicht erlaubt, als üble Nachrede, Zensur, Denunziantentum oder gar körperliche Gewalt.

Muss das sein? Wir können uns noch eine Weile bezwingen. Aber irgendwann wird der Ruf unüberhörbar. Unser Körper meldet sich mit Symptomen, in unseren Beziehungen knirscht es, die Kinder entgleiten uns, der Job geht verloren. Und: Das Volk spielt nicht mehr mit. Immer mehr Menschen tun, was sie für richtig halten. Wir wählen Regierungen ab, von denen wir uns nicht mehr repräsentiert fühlen. Wir suchen uns Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten ohne Hamsterrad. Der Wind der Zeit bläst von hinten und treibt uns voran, unterstützt uns aber auch.

Ein Wichtiges, was wir auf dem Weg brauchen, ist Mitgefühl. Natürlich Mitgefühl mit uns selbst, aber auch mit allen, denen wir begegnen. Nicht alle laufen auf der gleichen Zeitlinie. Nicht alle können mit ihren unterdrückten Bedürfnissen auf die gleiche Weise umgehen. Und – ja – mancher hegt auch wenig gute Absichten. Verurteilen wir niemanden, der anders unterwegs ist. Unterstützen wir uns gegenseitig. Dann kann es gelingen.