Verschieden Sein

Jedes menschliche Wesen ist einzigartig!

Auch wenn ein Wesen eine Reihe von Merkmalen mit anderen teilt, so bleibt es in seiner Ganzheit doch einzigartig und unverwechselbar. Und jeder Mensch bringt einen einzigartigen Schatz von Erfahrungen mit. Folglich wird es keine zwei Individuen geben, die genau dieselben Ansichten und Einsichten über „Gott und die Welt“ hegen, auch wenn die Schnittmengen noch so groß sein mögen.

Ich bin z.B. überzeugt: Wenn an einem Sonntag an einem christlichen – sagen wir: katholischen – Gottesdienst hundert Personen teilnehmen, so sind dort einhundert Gottesbilder versammelt – im doppelten Sinne des Wortes –, von denen auch nicht zwei vollständig zur Deckung zu bringen sind.

Wir scheinen uns dessen mehr und mehr bewusst zu werden. Aber ich habe den Eindruck, dass die Verschiedenheiten zunächst einmal Angst und Abwehr auslösen.

Fühle ich mich in meiner eigenen Identität bedroht, wenn ich mit der Andersartigkeit anderer konfrontiert bin? Warum? Warum brauche ich die Bestätigung meines Soseins durch andere, die – teilweise – auch so sind wie ich?  Weil ich insgeheim glaube, dass ich so, wie ich bin, nicht richtig bin? Weil man mir das seit Menschengedenken eingeredet hat und ich mich folglich nicht annehmen kann, wie ich bin? Kann ich darum andere nicht annehmen, wie sie sind? Muss ich darum mein Sosein so lautstark und aggressiv verteidigen, damit ja niemand merkt, dass ich mich selbst nicht akzeptiere, damit niemand in dieser Wunde wühlt und den Schmerz unerträglich macht?

Wenn wir uns solche Fragen ehrlich und ohne Abwehr beantworten könnten, wären wir einen Schritt weiter, glaube ich. Wir könnten dann anfangen, uns selbst zu lieben, und müssten niemanden mehr abwerten und ausgrenzen. Denn wir – jedes Wesen auf dieser Erde – sind immer und jederzeit so richtig, wie wir sind. Und die Quelle, aus der wir kommen und zu der wir einst zurückkehren, verurteilt uns nicht. Vor ihr sind wir immer gerechtfertigt. Also könnten wir einander auch so sein lassen, wie wir sind.

Oder schau Dir das Foto an: Die Einbeere trägt schon im (botanischen) Namen die Festlegung, vierblättrig zu sein: Paris quadrifolia. Das hindert die Pflanze aber nicht daran, Exemplare mit fünf oder gar sechs Blättern auszubilden. Und die fünf- und sechsblättrigen werden von den vierblättrigen nicht angegriffen! Was eine Pflanze kann, sollten wir auch können.

Ach, wär‘ das schön!