Löwenzahn

Taraxacum sect. Ruderalia, auch Taraxacum officinalis

Er fängt gerade an zu blühen. Noch ein paar Tage, dann werden die Wiesen gelb sein und die Bienen unablässig von Blüte zu Blüte fliegen. Löwenzahnhonig ist die erste Frühlingstracht, ein goldgelber, kräftig schmeckender Honig.

Der Löwenzahn/Taraxacum – nicht zu verwechseln mit Löwenzahn/Leontodon, mit dem er verwandt ist -, ein Korbblütler, ist eine ungewöhnliche Pflanze. Er kommt in vielen genetisch unterschiedlichen Varianten vor und verändert sich innerhalb einer Population von Jahr zu Jahr. Deshalb sind Arten und Unterarten nicht sauber voneinander zu scheiden und teilt man sie heute in Gruppen ein (siehe oben: „Sectio“). Irgendwo in dieser Gruppe ist auch der Taraxacum officinalis anzutreffen. Aber er lässt sich auf der Wiese nicht von anderen unterscheiden – und das ist auch nicht nötig.

Jeder kennt den Löwenzahn. Schau Dir jedoch seine Blätter an – die sind von Pflanze zu Pflanze verschieden – und auch die Blätter einer Pflanze variieren in ihrer Gestalt, in Abhängigkeit vom Wetter und dem Entwicklungsstand. Solange er nicht blüht oder wenigstens Blütenknospen entwickelt hat, könnte man ihn sogar verwechseln, z.B. mit dem letzthin zu grotesker Berühmtheit gelangten Jakobs-Greiskraut oder -Kreuzkraut, dessen Blattrosette Sie rechts sehen. Die Blätter des Kreuzkrauts sind jedoch noch deutlich differenzierter gestaltet als die des Löwenzahns.

Der Löwenzahn ist mehrjährig. Er ist fast überall zu finden, bevorzugt aber fette Wiesen. Auf Magerrasen findet man ihn seltener. Er blüht im April und Mai, die Blütenstängel werden bis 30 cm hoch. Verwendet werden alle Pflanzenteile. Die jungen Blätter können den ganzen Frühling und Sommer über gesammelt werden, die Wurzeln gräbt man in Frühling oder Herbst. Und die Blüten möglichst pflücken, wenn das innere des Blütenkörbchens noch geschlossen ist. Sogar die Stängel lassen sich in der Küche verwerten, im sog. Röhrlsalat.

Was ist auffällig am Löwenzahn (Taraxacum)? Die leuchtend-gelbe Blütenfarbe und der bittere Geschmack weisen uns auf seine Wirksamkeit auf Leber und Galle hin (Jupiter-Signatur). Der hohle Stengel: Dabei ist an die ebenfalls hohlen Ausscheidungswege Darm und Harnleiter sowie Blut- und Lymphgefäße zu denken. Der Milchsaft ist ein Merkmal, das traditionell dem Mond zugeordnet ist. Die Pflanze hat also mit den Säften zu tun: Galle, die Sekrete der Bauchspeicheldrüse, Urin, und auch Blut und Lymphe werden gereinigt.

Die Inhaltsstoffe sind viele: Bitterstoffe, Carotinoide, Cholin, Stärke, Saponine, Eiweiß, Zucker, Inulin, Vitamine, Kieselsäure und an Spurenelementen vor allem Magnesium, Kalzium und Eisen. Löwenzahn ist eine Einschleuserpflanze für Kalzium, d.h. sie hilft dem Körper, das in der Nahrung enthaltene Kalzium besser aufzunehmen und zu verwerten.

In der Küche ist der Löwenzahn sehr vielseitig zu verwenden. Auf den Röhrlsalat habe ich schon hingewiesen. Die Blätter können allein oder mit anderen Blattsalaten zusammen gegessen werden. Die Knospen, in Butterschmalz oder Olivenöl gebraten, schmecken sehr lecker. Man kann sie auch in Essig oder Salz einlegen, wie Kapern. Aus den Wurzeln lässt sich ein Kaffeeersatz machen. Die Blüten ergeben einen feinen Likör, oder Gelée oder Wein.

Eine Abkochung aus den Wurzeln wirkt u.a. bei Gicht und Rheuma. Die Tinktur aus den Wurzeln ist hilfreich bei Leber- und Gallenbeschwerden und fördert die Verdauung. Die Bitterstoffe sind überhaupt für die Verdauung sehr wertvoll, da wir gewöhnlich davon viel zu wenig zu uns nehmen. Aus vielen Salaten und Gemüsen wurden  sie herausgezüchtet, weil der milde Geschmack von den Kunden gewünscht wird. Aber der Verdauung fehlen die Bitterstoffe deshalb.

Der Löwenzahn hat zahlreiche volkstümliche Namen, mehr als andere Pflanzen. Auf Französisch heißt er Pissenlit, auf Schwäbisch Bettsoicher, und dergleichen Namen gibt es viele: Pissblume, Bettbrunzer usw.  Aber dann auch Hummelblume, Immenbloom, Saublume, Pferdeblume, Schmalzblüml, Schmandbüsch, Kuhblume, Ammelemaie, Laternenblume, gelber Dickkopf, Sommertür, Gelling …

Der Löwenzahn schließt seine Blüte nachts. Wenn er sie zum letzten Mal geschlossen hat, entwickelt sich die Pusteblume, die aus unzähligen einzelnen Samenschirmchen besteht: ein Windstoß, und die Samen fliegen davon. Wer alle Samen einer Pusteblume mit einem Mal Blasen davonpusten kann, kommt in den Himmel – ich glaube, wer’s nicht kann, auch.

Sogar zur Ehre eines Geldscheines hat es der Löwenzahn gebracht. Ab 1992 – und bis zum Ende der DM-Epoche – war er auf der Rückseite der 500-DM-Scheine abgebildet, und auf ihm eine Raupe und ein Falter des Grauen Streckfußes.

Ist so eine blühende Löwenzahnwiese nicht wunderschön?