Dazugehören?

Es gehört zu unseren uralten Grundbedürfnissen, zu einer Gruppe dazugehören zu wollen. Es gibt noch ein zweites Grundbedürfnis, das nach Autonomie und Selbstwirksamkeit. Das erste ist für uns als kleine Kinder überlebenswichtig. Wenn in unserer Kindheit Dazugehören an Bedingungen geknüpft war – und vielen von uns ist es so ergangen –, stellen wir das andere Grundbedürfnis zurück. Die andere Wahl ist für ein kleines Kind nicht möglich.

Jetzt sind wir aber Erwachsene, und noch immer leben diese zwei Grundbedürfnisse in uns. Im Zweifelsfall sind beide nicht wirklich gestillt worden, und wir sind uns ihrer nur vage bewusst. Wie komme ich jetzt zu der ersehnten Zugehörigkeit in der Gegenwart mit der Krise, die wir gerade erleben.

In der Menschheitsgeschichte gibt es – ebenso wie in der individuellen Entwicklung – zwei Wege dorthin. Der eine, der ältere, ist der Weg über die Einordnung in hierarchische Strukturen, also über Unterordnung und Gehorsam. Es gibt aber einen zweiten, der schon immer von Einzelnen gelebt wurde und seit der Renaissance für immer mehr Menschen betretbar wird. Der Weg ist auf der äußeren Ebene egalitär statt hierarchisch, getreu dem Motto der Französischen Revolution: Freiheit – Gleichheit – Geschwisterlichkeit. Und statt die eigenen Potentiale und Bedürfnisse im Interesse des Kollektivs hintanzustellen, wenn nicht gar zu vergessen, erforsche ich, wer ich eigentlich im Tiefsten (oder Höchsten) bin, und versuche, das im Außen dann auszudrücken. Wenn das gelingt und nicht durch Missverständnisse in Egoismus abgleitet, diene ich auf diesem Wege der Gemeinschaft in viel höherem Maße, als wenn ich mich dem Kollektiv unterordne. Mein Tun ist dann zum Wohle aller, und die Frage, ob ich dazugehören darf, ist obsolet.

Den alten Weg sehen wir gerade in China – soweit wir das sehen können von hier aus – auf die Spitze getrieben. Wollen wir das? Manche deutschen Politiker, auch solche, von denen ich das niemals für möglich gehalten hätte, äußern sich geradezu bewundernd. Für diesen Weg eigne ich mich gar nicht – und ich weiß, dass es vielen so geht. Der alte Weg führt nicht in die Zukunft – nur vielleicht in Chaos und Katastrophe. Darum ist es wichtig, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Energie folgt der Aufmerksamkeit.

Wessen erstes Grundbedürfnis zu wenig gestillt wurde, für die oder den ist es vielleicht sehr schwierig, nicht dem Sog der Regression nachzugeben und sich dem Mainstream-Narrativ anzuschließen. Respekt für jede und jeden auf seinem individuellen Weg mit all seinen Nöten. Respekt für jede und jeden, die oder der dem eigenen Weg folgt und das kaum Denkbare zu denken wagt.

Segen für alle göttlichen Wesen!