Naturwesen

Vor einiger Zeit habe ich mal über meine Mitbewohner auf meinem Grundstück geschrieben und dabei die Tiere und Pflanzen aufgezählt, die ich beobachtet habe. Zu der Zeit habe ich ganz übersehen, wie unvollständig meine Aufzählung war insofern, als ich die Naturwesen nicht erwähnt habe, die auch hier zu Hause sind. Ich gehöre nicht zu denen, die sie sehen können; aber ich spüre, dass sie da sind. Vor allem jetzt, unter den extremen Wetterbedingungen, bei der Hitze und Dürre, haben sie alle Hände voll zu tun, damit Pflanzen und Tiere überleben können. Ihre Liebe zu den Wesen, die ihnen anvertraut sind, ist grenzenlos. Ich hege großen Respekt vor ihnen und danke ihnen von Herzen.

Es sind ganz unterschiedliche Wesen. Manche sind nicht größer als mein Zeigefinger, manche haben die Länge eines Unterarmes. Sie bewegen sich leicht und anmutig. Sie sind scheu und bleiben gern in Deckung – wer könnte es ihnen verdenken?

Eines von den ganz kleinen ist für die Schar der Insekten zuständig. Es tut alles, um sie vor Schaden zu bewahren. Dann gibt es eines, ein langes dünnes Wesen, das sich um den Ebereschenbaum kümmert. Es hat sich in die Farbe der Früchte gehüllt. Das pralle Orange ist aber auch wirklich prächtig. Zwischen den trockenen Samenständen der Jungfer im Grünen huschen ebensolche herum. Sie zeichnet ein hellblauer Schimmer aus, so blau wie die Blüten waren. Und dann gibt es da einen, der ist so groß wie meine Hand, ein Kerlchen in braunen Hosen mit Hosenträgern und einer braunen Jacke, mit einem Hut auf dem Kopf. Der hat etwas mit dem Igel zu tun, der hier wohnt – oder der Blindschleiche?

Sie alle lieben es, wenn ein Wind weht und sie schaukelt. Leider geht hier am Standort meines Gartens nicht oft Wind.

Es gibt auch ein Wesen, das bei den Tomatenpflanzen zu finden ist. Das ist etwas größer und trägt einen roten Hut. Das springt sofort zur Seite, wenn ich mit dem Schlauch wässere, weil es sonst nasse Füsse bekäme. Aber sanftes Gießen oder einen leisen Regen mag es sehr. Wenn es stark regnet, rollt es sich zusammen und hängt sich unter ein großes Blatt.

Ich glaube, es gibt auch ein großes Wesen, größer als ich, von ganz heller Erscheinung, das streift durch alle Gärten und Wiesen und Gebüsche an dem Berghang, an dem ich wohne, und achtet darauf, dass es all seinen kleinen Mitarbeitern gut geht. (Ich gendere hier mal nicht, denn ich weiß ohnehin nicht, ob Naturwesen ein Geschlecht haben.)

Ich sagte ja anfangs, dass ich sie nicht sehen könne. Wie kann ich sie dann aber beschreiben, möchtest Du wissen? Sie zeigen sich mir manchmal in inneren Bildern. Das ist schön. Ich danke ihnen für ihr Dasein und Wirken und segne sie – und Dich auch.