Was ich aus dem Jahr 2022 mitnehme

Neben vielem Persönlichen bleibt mir, dass es unschätzbar wichtig ist zu unterscheiden, was Wahrheit und was Lüge ist. Es gibt so unfassbar viele „Informationen“ – welche davon für mich bedeutend sein könnten, weiß ich erst einmal nicht, bevor ich sie zur Kenntnis genommen habe. Und wenn ich sie aufgenommen habe, geht die Arbeit erst los. Ist der Überbringer vertrauenswürdig? Woher stammt die Nachricht? Ist sie plausibel? Passt sie zu dem, was ich schon weiß? Wenn nicht, falsifiziert sie, was ich schon weiß? Oder umgekehrt? Stecken hinter der Nachricht erkennbare Interessen? Ist sie manipulativ? Will sie etwas von mir? Und so weiter …

Wenn ich also nicht vierundzwanzig/sieben mit dem Überprüfen von Nachrichten beschäftigt sein will, so gilt es, die eigene Intuition zu schulen. Natürlich schützt sie mich nicht vor jeder Täuschung. Aber auch sorgfältige Recherche kann in die Irre führen.

Meine innere Stimme ist ziemlich zuverlässig geworden im Laufe der letzten Jahre. Dafür bin ich sehr dankbar. Und ich ärgere mich jedes Mal über mich selbst, wenn ich nicht auf sie gehört habe. Es ist mir schwergefallen, mir einzugestehen, dass uns so viele Lügen aufgetischt werden, dass so viel vertuscht, geheuchelt, zensiert und manipuliert wird. Es ist wie eine Wanderung durch unwegsames Gelände, nur mit Kompass, Sternenkunde und Machete als Hilfsmittel. Es geht. Manchmal muss man halt ein Stück zurück zum letzten sicheren Punkt und von da neu anders weitergehen.

Von der Arbeit meiner Grauen Zellen auf möglichst eigenständige Weise Gebrauch zu machen, war schon immer mein Verlangen, denn ich dürste nach Freiheit. Aber ich kenne zugleich nur zu gut die Versuchung der Bequemlichkeit und vermeintlicher Sicherheit. Und ich war naiv, oder gutgläubig, und die Realität mir immer voraus.

Das scheint mir auch eine Kunst zu sein: das Gleichgewicht zu halten zwischen Vertrauen in die Welt, das Leben, in andere Menschen und einer gesunden Skepsis. Wo ist das eine angebracht, wo das andere? Auch in dieser Kunst über ich mich. „Gleichgewicht“ scheint mir jetzt gar nicht mehr das rechte Wort zu sein. Es ist eher wie ein Schwingen auf einer Schaukel und nicht Festhalten eines Gleichgewichtszustandes, der sowieso stets wieder entgleitet.     

Vielleicht ist diese verrückte Zeit genau dazu gut: zu lernen, mir selbst zu vertrauen und Orientierung nicht mehr außerhalb zu suchen. Und zugleich jedem anderen den nämlichen Prozess zuzugestehen und nicht sein Leuchtturm sein zu wollen. Denn das täte ich ja dann auch wieder, um mich an etwas außen zu stabilisieren. Und das brauche ich nicht.

Und so gehe ich zuversichtlich ins neue Jahr, voller Hoffnungen und Wünsche und Sehnsüchte, und bin gespannt, wie viele Irrtümer ich wieder korrigieren, welche neuen Erkenntnisse ich gewinnen werde. Und vor allem, ob es mir gelingt, der Liebe immer näher zu kommen, zu mir selbst und zu allem Lebendigen.

Prost Neujahr!